Zur Geschichte der Sportarten Rasenkraftsport und Tauziehen und zur Entwicklung des Verbandes
Vom Tauziehen liest man fast täglich in den Zeitungen, doch fast ausschließlich auf den Politik-Seiten. Auch von „Seilschaften” ist da die Rede, doch am Seil standen die, die davon reden, höchst selten: Vielleicht bei einem Kinderfest in der Jugendzeit oder bei einem Prominentenwettbewerb. Dass das Tauziehen von 1900 bis 1920 olympisch war, es seit 1964 Europameisterschaften und seit 1975 im jährlichen Wechsel auch Weltmeisterschaften gibt, wissen nur wenige.
Das Tauziehen ist die eine Sportart, die dem Deutschen Rasenkraftsport- und Tauzieh-Verband den Namen gab. Die andere ist der nicht ganz so bekannte Rasenkraftsport. Eine Disziplin des Rasenkraftsport-Dreikampfes, das Hammerwerfen, ist heute noch olympisch. In der zweiten Disziplin, dem Gewichtwerfen, wurden 1904 und 1920 Olympiasieger gekürt. Die dritte Disziplin, das Steinstoßen, gehört zu den ältesten Sportarten der Menschheit. Sie wurde von den Turnern „wiederentdeckt” und beim ersten Deutschen Turnfest 1860 in Coburg ins Wettkampfprogramm aufgenommen.
Das Tauziehen fand bei uns nicht die Verbreitung wie in den angelsächsischen Ländern, obwohl bei der Zwischenolympiade 1906 eine deutsche Mannschaft mit drei Turnern und fünf Kraftsportlern die Goldmedaille im Tauziehen gewann. Dass diese Sportart in dieser Zeit keine größere Verbreitung fand, ist auf den „Kompetenzstreit” zwischen Kraftsportlern und Leichtathleten zurückzuführen, der erst 1913 mit der Unterzeichnung eines Kartellvertrages beendet wurde. Auf internationalem Gebiet (auch bei Olympischen Spielen) war das Tauziehen der Leichtathletik zugeordnet. Der damalige Leichtathletik-Vorsitzende Carl Diem wollte das Tauziehen nicht an die Kraftsportler abgeben, wie im Protokoll des Verbandstages vom 17. Februar 1912 zum Kartellvertrag nachzulesen ist: „Bedenken bestehen nur hinsichtlich des Tauziehens. Wir wollen es aus unseren Übungen nicht streichen, aber zur internationalen Vertretung verspüren wir hier wenig Lust.”
Diese Disharmonien in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg sind darauf zurückzuführen, dass zu Beginn des Jahrhunderts die „Ringer- und Stemmervereine” auch Lauf-, Wurf und Sprungübungen in ihr Trainings- und Wettkampfprogramm aufnahmen. Da Vereine damals noch nicht mehreren Verbänden angehören konnten, mussten sie in „fremden Revieren wildern”, um ihre Mitglieder „bei der Stange zu halten”. So entwickelten sich in Kraftsportvereinen auch Leichtathletik-Abteilungen. 1906 gab es in Stuttgart ein erstes Gau-Leichtathletiksportfest der Kraftsportvereine und 1909 in Frankfurt die vom Deutschen Athleten-Verband ausgerichteten ersten (inoffiziellen) Deutschen Meisterschaften, die aber bei den Verbandsoberen auf nicht allzuviel Gegenliebe stießen, zumal sich fast nur süddeutsche Vereine für die Leichtathletik in Kraftsportvereinen interessierten.
Der ab 1911 ausgehandelte und 1913 unterzeichnete Kartell-Vertrag mit der „Sportbehörde für Athletik”, dem damaligen Leichtathletik-Verband, gestattete den Kraftsportlern die Austragung Deutscher Meisterschaften in internationalen Leichtathletik-Disziplinen, an denen die Leichtathleten kein Interesse hatten: Im Hammerwerfen, Gewichtwerfen, Steinstoßen und Tauziehen. Im Rahmen der Titelkämpfe im Ringen und Gewichtheben wurden 1913 in Kassel die ersten Deutschen Meister im Gewichtwerfen, Steinstoßen und Tauziehen ermittelt. Bei den nächsten Titelkämpfen (durch den Krieg bedingt erst 1919) gab es einen zusätzlichen Deutschen Meister im Hammerwerfen.
Wurde das Tauziehen schon 1913 in zwei Gewichtsklassen ausgetragen, zogen die „Kraftsport-Leichtathleten” erst 1923 nach: Zuerst mit zwei, dann mit drei und ab 1928 mit vier Gewichtsklassen. In diesen Jahren gab es zwar einen „Verbandssportwart für Leichtathletik”, in den Kraftsportvereinen redete man aber bereits vom „Rasenkraftsport”, von der Sportart, die von Kraftsportlern auf dem Rasen (Sportplatz) betrieben wurde und für viele Gewichtheber und Ringer die Sommersportart war.
Von 1927 bis 1933 gab es im Hammerwerfen zwei Deutsche Meister, da diese Disziplin 1927 auch ins Meisterschaftsprogramm der Leichtathleten aufgenommen wurde. Als nach der „Gleichschaltung” des deutschen Sports die Leichtathleten von 1933 bis 1938 auch das Steinstoßen für sich reklamierten und Deutsche Meister kürten, mussten sich die Kraftsportler etwas neues einfallen lassen. Sie „erfanden” den Rasenkraftsport-Dreikampf, bestehend aus Hammerwerfen, Gewichtwerfen und Steinstoßen. Der Unterschied zu früher war, dass es jetzt in diesen Disziplinen keine Einzelmeister mehr gab, sondern in jeder Gewichtsklasse nur noch einen Dreikampf-Meister.
Nach dem Neubeginn Ende der vierziger Jahre einigten sich Kraftsportler und Leichtathleten darauf, dass die Rasenkraftsportler Deutsche Meisterschaften im Dreikampf, im Gewichtwerfen und im Steinstoßen austragen dürfen. Dies galt seit den ersten Nachkriegsmeisterschaften 1949; mit dem kleinen Unterschied, dass es mittlerweile bei den Männern sechs Gewichtsklassen gibt, und dass im Laufe der Zeit auch Meisterschaften für Junioren, Jugendliche, Schüler und Senioren in unterschiedlichen Gewichts- und Altersklassen eingeführt wurden. Seit 1972 werden zudem Hallenmeisterschaften im Steinstoßen ausgetragen.
Im November 1981 beschloss der Verbandstag, den Rasenkraftsport auch für Sportlerinnen zu öffnen und ab 1982versuchsweisefürFrauen(in vier Gewichtsklassen), die weibliche Jugend und die Schülerinnen (je drei Gewichtsklassen) das Steinstoßen und Gewichtwerfen einzuführen sowie das Hammerwerfen probeweise zu gestatten. Der zufriedenstellende Verlauf dieser Tests wird dadurch dokumentiert, dass 1983 erstmals Deutsche Meisterinnen gekürt und 1986 die Zweikämpfe in Dreikämpfe (mit Hammerwerfen) umgewandelt wurden – zu einer Zeit, als man bei den Leichtathleten über hammerwerfende Frauen nur lächelte. Steigende Mitglieder- und Teilnehmerzahlen (insbesondere in den unteren und mittleren Gewichtsklassen) beweisen die Richtigkeit der Öffnung des Rasenkraftsports für Frauen.
Frauenmannschaften im Tauziehen haben in der Bundesrepublik dagegen noch Seltenheitswert, obwohl auf internationaler Ebene Welt- und Europameisterschaften ausgetragen werden.
Bis zur Verselbständigung der Sportarten Gewichtheben und Ringen zu Beginn der 70er Jahre gehörten der Rasenkraftsport und das Tauziehen ebenso wie der damalige Kunstkraftsport (heute Sportakrobatik) zum Deutschen Athleten-Bund (DAB) bzw. seinen Vorgängerverbänden. Bei der Auflösung des DAB hatten Ringer und Gewichtheber kein Interesse an den Rasenkraftsportlern. Wollten diese weiterhin ihren Sport betreiben, musste man einen eigenen Verband gründen.
Bei den Tauziehern stellte sich diese Frage nicht mehr; sie mussten mangels Masse nach 1968 ihren Wettkampfbetrieb einstellen. Den Rundgewichtsriegen war es schon einige Jahre zuvor ebenso ergangen.
So wurde am 6. November 1971 in Ludwigshafen der Deutsche Rasenkraftsport-Verband (DRKV) gegründet und der damalige DAB-Sportwart für Rasenkraftsport, Franz Becker (Ensdorf), zum Vorsitzenden und Erich Bremicker (Ludwigshafen) in Personalunion zum Stellvertretenden Vorsitzenden und Schatzmeister gewählt. Bereits zwei Jahre später gab es einen Führungswechsel: Richard Langhammer (Kassel) übernahm das Amt von Becker, Robert Reimuth (Mannheim) das von Bremicker. Das Jahr 1973 war auch in anderer Hinsicht bedeutsam: Im Rasenkraftsport wurde gegen die Schweiz der erste Länderkampf ausgetragen, und der Südbadische Sportwart für Rasenkraftsport, Hermann Hirsch (Konstanz), baute den Tauziehsport in Deutschland wieder auf. 1974 folgte die Mitgliedschaft im 1960 gegründeten Tauzieh-Weltverband und die Anpassung der nationalen Wettkampfregeln: Anstelle von bisher sechs bildeten jetzt acht Mann eine Mannschaft.
Aus gesundheitlichen Gründen trat Richard Langhammer 1983 ins zweite Glied zurück und übernahm bis zu seinem Tode im Frühjahr 1985 das Amt des Schatzmeisters. Neuer Vorsitzender wurde M. Josef Bader (Augsburg), der bis 1998 erster Mann des Verbandes blieb.
Ebenfalls 1983 wurde die Sportart Tauziehen in den Verbandsnamen (jetzt Deutscher Rasenkraftsport- und Tauzieh-Verband, DRTV) aufgenommen und die Zahl der Stellvertretenden Vorsitzenden auf zwei erhöht, wobei einer aus dem Lager der Tauzieher kommen sollte.
Eine gänzliche Umstrukturierung des Verbandes erfolgte 1985. Für die Sportarten Rasenkraftsport und Tauziehen wurden zwei in sportlichen Belangen selbständige Fachgebiete eingerichtet.
Die Vorsitzenden der Fachgebiete (Werner Kiener für den Rasenkraftsport, Rainer Schalck für das Tauziehen) gehören als Vizepräsidenten dem sechsköpfigen DRTV-Präsidium an, das seit 1998 von Gunter H. Fahrion (Stuttgart) als dem Präsidenten, Helmut Metschl (München) als dem Vizepräsidenten und von Guido Lämmermann (Rodgau) als dem Schatzmeister geleitet wird. Vizepräsident für Jugendfragen ist Reimund Herrmann (Stadtsteinach). Eine haupt- oder nebenamtlich besetzte Geschäftsstelle kann sich der in 130 Vereinen rund 9.200 Mitglieder zählende Verband nicht leisten. Die Arbeit wird seit 1992 (mit einer halbjährigen Unterbrechung im Jahre 2000) ehrenamtlich von Rainer Schalck geleistet.
Kopfzerbrechen bereitet dem Verband die Tatsache, dass Rasenkraftsport und Tauziehen nördlich der Mainlinie weniger Anhänger als im Süden der Republik haben und in den neuen Bundesländern nur wenige Mitglieder zuhause sind. Seit 2001 ist der Bereich nördlich von Hessen und Rheinland-Pfalz kein weißer Fleck mehr im Tauziehbereich, seit sich in Nordrhein-Westfalen zwei Vereine diesem Sport verschrieben haben. Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen stellen auch keine Rasenkraftsportler (mehr).
Der Rasenkraftsport ist eine deutsche Sportart ohne große internationale Verbreitung. Dies ist nicht zuletzt auf das Steinstoßen zurückzuführen, da der Bewegungsablauf vom Hammer- und Gewichtwerfen abweicht. Zudem ist die Gewichtsklasseneinteilung bei Leichtathleten, die international das Hammerwerfen betreiben, unbekannt. Da nicht zuletzt diese Gewichtsklasseneinteilung und die daraus erfolgende Mannschaftsbildung einen wesentlichen Reiz des Rasenkraftsports ausmacht, konnte sich diese Sportart in unserer auf internationale (olympische) Erfolge ausgerichteten Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten im Ausland nicht etablieren. Gespannt blickt man daher dem 15. und 16. September 2001 entgehen. An diesen beiden Tagen sollen im Münchner Dante-Stadion die ersten Europameisterschaften im Rasenkraftsport ausgetragen werden.
Ein weiterer Lichtblick im Jahre 2001: Erstmals wurde mit dem Athletik-Sportverein Erfurt ein Verein unseres Verbandes mit dem Grünen Band der Dresdner Bank für vorbildliche Talentförderung im Verein ausgezeichnet.
Im Tauziehen gehört der DRTV zur internationalen Sportfamilie. Die langjährigen Bemühungen des internationalen Dachverbandes, der TWIF, das Tauziehen wieder in den Kreis der vom IOC anerkannten Verbände zurückzuführen, wurden 1999 von Erfolg gekrönt. Bei den internationalen Meisterschaften gehört Deutschland mittlerweile zu den Mannschaften, die in Medaillenränge vorstoßen können. Viermal (1989, 1993, 1997 und 2001) qualifizierte sich unsere 720-kg- bzw. 680-kg-Mannschaft für die World Games, den Weltspielen der nichtolympischen Sportarten, bei denen man 1993 Dritter wurde. Zugelassen waren dort jeweils nur die weltbesten sechs Mannschaften. Bei den Weltmeisterschaften konnte das deutsche 720-kg-Team zweimal die Bronzemedaille gewinnen: 1990 in Slagharen (Niederlande) und 1994 in Uppsala (Schweden). Dies gelang 1998 bei den Weltmeisterschaften in Rochester MN/USA auch in der 640-kg-Klasse. Dieses Team wurde komplett von den Sportfreunden Goldscheuer gestellt. Mit der Silbermedaille kehrte von diesen Weltmeisterschaften gar die Jugendmannschaft zurück.
Deutsche Tauzieh-Meisterschaften werden derzeit in drei Gewichtsklassen (Jugend, 600 kg und 720 kg) ausgetragen. Dazu kommt die Bundesliga, die an acht Wettkampftagen den Deutschen Meister in der 640-kg-Klasse ermittelt.
Gunther H. Fahrion
Die Schwerathletik in Heidenheim
Die Geschichte der Athletikabteilung des Heidenheimer Sport Bundes reicht bis ins Jahr 1900 zurück. Damals traten ein paar Idealisten zusammen um im Gasthaus Schwanenkeller den Athletenclub Hellenstein zu gründen. Ringen, Gewichtheben, Rundgewichtsriege, Leichtathletik und Boxen waren die Sportarten die zu jener Zeit ausgeübt wurden. Im Jahre 1937 fusionierte der Athletenclub Hellenstein mit dem Turnverein und hieß fortan Turn und Sportbund 1846 Heidenheim. Bis 1965 war die Sparte Schwerathletik im TSB integriert. Nach der Auflösung der Schwerathletikabteilung betrieben die Rasenkraftsportler innerhalb der Leichtathletikabteilung des TSB (ab 1972 HSB) um sich im Jahre 1985 erneut zu emanzipieren. Der erste Abteilungsleiter der innerhalb des HSB gegründeten Athletikabteilung war Thomas Spott. Ihm folgte 1989 Dieter Maier, dieser wiederum wurde 1991 von Wolfgang Schröder abgelöst. Seit 1993 leitet Werner Kiener die Geschicke der Abteilung. Gleich im ersten Jahr der Selbständigkeit konnte die Männermannschaft mit neuem Landesrekord die Deutsche Pokalmeisterschaft gewinnen. Fünf Jahre lang gehörte die HSB – Mannschaft der ersten Rasenkraftsport Bundesliga an. Im Gegensatz zu anderen Vereinen dieser Liga konnte die Athletikabteilung des HSB mit wenigen Ausnahmen auf Eigengewächse zurückgreifen. Die Erfolgsbilanz der Abteilung in der zurückliegenden Dekade ist beachtlich. Zu 19 württembergischen, 10 süddeutschen und einer deutschen Mannschaftsmeisterschaft kamen noch 283 württembergische, 70 süddeutsche, und 52 deutsche Einzeltitel hinzu. Erfolgreichste Teilnehmer bei Deutschen Meisterschaften waren Mali Berger mit 11, Willi Kiener mit 10 und Karl- Martin Erhart mit 9 Titeln. Siebenmal kamen Michael Hirsch, viermal Achim Keller und dreimal Jürgen Früholz zu deutschen Meisterehren. Neben den sportlichen Aktivitäten kommt auch der gesellschaftliche Teil nicht zu kurz. So gehört eine monatliche Stammtischrunde ebenso zum Programm wie die alljährlich stattfindende Weihnachtsfeier, sowie ein Trainingslager, das uns in den zurückliegenden Jahren nach Riccione (Italien), Szombately (Ungarn) oder in den Bayrischen Wald nach Herzogau/Waldmünchen führte. An sportlichen Veranstaltungen haben wir in den letzten Jahren zahlreiche württembergische und sogar deutsche Meisterschaften ausgerichtet.